Chatbotlinguistik – Herausforderungen von Chatbots und natürlicher Sprache
Verbindung von Maschine und natürlicher Sprache
Die Konversation mit einem Chatbot unterscheidet sich maßgeblich vom klassischen Kontakt zu Servicemitarbeitern. Ein komplexes Gespräch wird auf die fundamentalen Absichten des Kunden reduziert. Besonders wichtig ist, dass der Chatbot seinem Nutzer deutlich signalisiert, welche Eingabe er von ihm erwartet und ihn dazu anhält, möglichst simpel zu antworten, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. So wird der Nutzer einfach durch alle Prozessschritte geführt. Daher ist es nicht unbedingt das Ziel eines Chatbots, die Intelligenz oder das Verhalten eines Menschen perfekt zu imitieren, sondern dem Nutzer anhand seiner Eingaben und vorher definierten Regeln die gesuchte Antwort zu liefern.
Der Bot als Gesprächsteilnehmer
Während des Erstellungsprozesses eines Chatbots bietet es sich an, zunächst eine Vision zu kreieren und den gewünschten Service mit der Unternehmenskommunikation abzustimmen.
Die Sprache wird einfach der Zielgruppe angepasst. So kann der Bot sehr modern oder sachlich antworten und Fachbegriffe, sprachliche Mittel oder rhetorische Figuren in den Textausgaben einbinden. Darüber hinaus kann der Chatbot den User über mögliche Wartezeiten informieren, ihm mithilfe einer Liste Auswahlprozesse bieten oder einfach über eine freie Texteingabe kommunizieren.
Der Nutzer als Gesprächsteilnehmer
Der Nutzer des Bots bringt viele persönliche Eigenschaften und Besonderheiten mit in die Konversation, wie zum Beispiel seine eigene Ausdrucksweise. Daher ist es bei der Gestaltung von möglichen Unterhaltungsszenarien sehr wichtig, so viele Fälle und unterschiedliche Formulierungen wie möglich abzubilden. Darüber hinaus ist es wichtig, die Möglichkeiten des Nutzers soweit einzuschränken, dass der Prozess ohne Fehlinterpretationen durchgeführt wird.
Dieser Problematik wird entgegengewirkt, indem der Bot stets eine Rückmeldung seines aktuellen Zustands und der von ihm erwarteten Daten an den User ausgibt. Dadurch wird lediglich an ausgewählten Prozessschritten auf die Erkennung von natürlicher Sprache zurückgegriffen.
Chatbot und Sprache
Bevor ein Chatbot auf eingehende Fragen reagieren kann, werden ihm zunächst Informationen zu potenziellen Fragen geliefert. Diese Informationen werden soweit wie möglich durch die Beachtung zahlreicher Variationen verdichtet. So werden unter anderem Synonyme wie auch phonetische Änderungen in den Eingaben der Nutzer erwartet und daher im Voraus beachtet.
Mithilfe eines gewissen Maßes an Ähnlichkeiten, werden spezifische semantische Geschäftsprozesse bestimmt. Dabei kümmert sich zusätzlich ein Teil der Anwendung um die Aufdeckung von Tippfehlern und falscher Grammatik. Dazu wird jedoch eine große Menge an Prozesselementnamen benötigt, welche gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Beabsichtigung des Users richtig erkannt wird.
Ein kurzes Beispiel aus der Energiebranche
Der Kunde eines Energieversorgers möchte den Chatbot seines Anbieters nutzen, um seinen Abschlag anzupassen oder anzufragen. Anstelle des Wortes „Abschlag“ könnte er jedoch auch Rate, Teilzahlung, Akontozahlung oder Vorschusseingeben. All diese Wörter stehen in engerem oder weiterem Kontext zu dem Wort Abschlag. Daher benötigt der Chatbot vorab ausreichend Informationen, um die Eingaben bewerten und sie in den eigentlichen Kontext einzuordnen.
Was wir von anderen Disziplinen lernen können
Um eine möglichst barrierefreie Konversation zu kreieren, werden dem User möglichst wenig Fragen gestellt, auf welche sie selbstständig mit längeren Informationen antworten müssen. Für den Nutzer umständlich einzutippende Informationen können, über die aus dem UX-Design bereits lange etablierten Auswahllisten mit vordefinierten Antworten realisiert werden. Das ist vor allem sinnvoll, wenn dem Nutzer mehrere Objekte zur Auswahl bereitstehen. Wieder am Beispiel eines Energieversorgers erklärt, handelt es sich hierbei unter anderem um Adressen und Konten.
Um auch Menschen mit Einschränkungen oder einer Leseschwäche die Möglichkeit zu bieten, den vollen Funktionsumfang eines Chatbots zu nutzen, werden die Informationen und Prozesse so simpel wie möglich abgebildet. Zur Unterstützung kann zum Beispiel der Ratgeber zum Thema „leichte Sprache“ des Bundesamtes für Arbeit und Soziales zu Rate gezogen werden.
Um die „leichte Sprache“ weitestgehend zu berücksichtigen, ohne das sprachliche Niveau für den uneingeschränkten Anwender bemerkbar zu verringern werden einige Regeln umgesetzt[1]:
- Sätze werden kurzgehalten und enthalten jeweils nur eine Aussage.
- Die Länge von einfachen Sätzen beschränkt sich in der Regel auf zehn bis elf Wörter.
- Nach Satzabschnitten oder Satzzeichen wird ein Absatz gemacht.
- Abstrakte Begriffe werden vermieden oder möglichst erklärt.
- Nicht vermeidbare Fremdwörter und Fachwörter werden erklärt.
- Abkürzungen werden nicht verwendet.
- Die Wortwahl orientiert sich an gesprochener Sprache.
- Es wird eine positive Sprache verwendet.
Ein weiterer Teil der Barrierefreiheit wird direkt durch die verwendeten Smartphones abgedeckt. Bekannte Instant-Messaging-Dienste wie Telegram oder der Facebook Messenger besitzen meist eine komplementäre Software, die den Funktionsumfang um Text-to-Speech erweitert.
[1]Vgl. Netzwerk Leichte Sprache e.V., Regeln für leichte Sprache, Münster (2013)